BVR kritisiert den Berichtsentwurf zur Umsetzung von Basel III: Gegebenheiten des europäischen Bankenmarktes werden zu wenig berücksichtigt

Berlin, 01.06.2022 - In dem heute von dem Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Jonás Fernández, veröffentlichten Berichtsentwurf zum Legislativvorschlag der Europäischen Kommission zur Umsetzung von Basel III in der Europäischen Union (dem sogenannten "Bankenpaket") werden die Anliegen der deutschen Genossenschaftsbanken nicht ausreichend berücksichtigt. "Leider wurde die Chance nicht genutzt, die Gegebenheiten des europäischen Bankenmarktes besser zu berücksichtigen", sagt Daniel Quinten, Vorstandsmitglied beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). "Gerade für kleinere verbundstrukturierte Institute wie die deutschen Genossenschaftsbanken, die ohnehin schon durch eine überbordende Regulatorik stark beeinträchtigt werden, sind die Regelungen, die die EU-Kommission vorgesehen hat und die vom Berichterstatter nicht korrigiert werden, äußerst problematisch", so Quinten weiter.

Völlig unverständlich ist für den BVR das Fehlen jeglicher Vorschläge für administrative regulatorische Erleichterungen für kleine und mittelgroße Banken. Hier fordert der BVR eine proportionale Ausgestaltung von Standards und Leitlinien der European Banking Authority (EBA), die sich stärker an der Größe der Institute, der Komplexität des Geschäftsmodells und dem Risikogehalt der Geschäfte orientieren. "Wie komplex und detailliert die Anforderungen für kleinere und mittlere Banken sind, merken wir gerade bei den sehr detaillierten, präskriptiven Anforderungen der EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung, die bald auf nationaler Ebene im Rahmen der MaRisk-Novelle angewendet werden sollen. Die Prozesse zu den Kreditvergaben unserer Banken haben sich über Jahrzehnte bewährt. Immer neue detaillierte Anforderungen verursachen einen hohen administrativen Aufwand, bringen der Aufsicht aber keine zusätzlichen Erkenntnisse und erhöhen nicht die Finanzstabilität", erklärt der BVR-Vorstand. Zudem sollte der verpflichtende LSI-Stresstest sowie damit verbunden die individuelle Festlegung einer zusätzlichen Kapitalempfehlung (Eigenmittelzielkennziffer - EMZK) für gut kapitalisierte Banken entfallen. Dies würde den administrativen Aufwand für gut kapitalisierte, kleine, nicht komplexe Institute mit einem risikoarmen Geschäftsmodell reduzieren, welche keinerlei Impulse für ihre bankinterne Steuerung aus der Festsetzung einer EMZK erhalten.

Erhebliche Auswirkungen, gerade für Verbünde, wird die vorgesehene Regelung haben, wonach Banken, die bankeigene Ratings verwenden, die Nullanrechnung von verbundinternen Forderungen nicht länger nutzen können. Damit werde der Liquiditätsausgleich innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe, der in der Finanzmarktkrise in Deutschland die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft anders als in anderen europäischen Ländern aufrechterhalten hat, in Frage gestellt.

Der BVR erwartet aufgrund des Berichtsentwurfes langwierige Verhandlungen in Brüssel. Diese dürfen nicht zu Lasten der Industrie gehen, die die Regelungen nach Verabschiedung implementieren muss. Es sollte daher schon zum jetzigen Zeitpunkt geprüft werden, ob das vorgesehene Inkrafttreten nicht nach hinten verschoben werden kann. Dies würde auch im Einklang mit den jetzt umzusetzenden Vorgaben des Baseler Ausschusses stehen, der nur für große Banken eine zeitnahe Umsetzung vorsieht. "Der europäische Gesetzgeber hat den Spielraum, den kleineren Banken, für die eine Umsetzung der komplexen Regelungen mit einem überproportionalen Aufwand einhergeht, längere Umsetzungsfristen einzuräumen. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Umbruchlage brauchen die Banken die Kapazitäten, ihre Kundschaft und die Wirtschaft tatkräftig im Transformationsprozess zu begleiten", erläutert Quinten.